Tumore von Hirn, Rückenmark und Wirbelsäule
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Gliome

Hirntumore

Tumore können in allen Altersgruppen und in allen Regionen des Gehirns, der Schädelbasis und des Spinalkanals vorkommen. Im Gegensatz zu Tumoren anderer Körperregionen weisen Hirntumore jedoch eine Besonderheit auf: Sie betreffen das Organ, welches das Zentrum unserer Wahrnehmung, unseres Bewusstseins, Denkens, Fühlens und Handelns ist.

Tumore können durch eine Störung der Hirnfunktion neurologische Ausfälle oder durch eine Reizung der Hirnoberfläche epileptische Anfälle verursachen. Hinzu kommt, dass das Gehirn vom starren knöchernen Schädel umgeben ist. Daher führt jeder raumfordernde Prozess früher oder später zu einer Druckerhöhung im Schädelinneren, die eine lebensbedrohliche Situation darstellen kann.

In unserer Praxis werden alle Arten von Tumoren behandelt. Die fachübergreifende Zusammenarbeit mit Radiologen, Onkologen und Strahlentherapeuten im Netzwerk der Klinikgruppe Hirslanden strebt eine Therapie nach neusten medizinischen Erkenntnissen an. Bei der Planung unserer Operationen werden die Prinzipien der minimalen Invasivität berücksichtigt und routinemäßig angewendet. Mit einer modernen endoskopischen Ausstattung und der Möglichkeit der Computer-, Kernspintomographie oder gar einer Angiographie verfügt die Klinik Hirslanden in Zürich über modernste Operationssäle: Diese einmalige Infrastruktur garantiert die größtmögliche Sicherheit für den Patienten.

Unabhängig von den technischen und medizinischen Möglichkeiten, die sich uns bieten, steht die Entscheidungs- und Handlungs-Autonomie der von der Krankheit betroffenen Menschen an erster Stelle und im Zentrum unserer Bemühungen.

Die Entstehung von Hirntumoren wird auf eine Anhäufung von genetischen Veränderungen (Mutationen) zurückgeführt, die zu einem unkontrollierten Wachstum der krankhaft veränderten Zellen führt. Primäre Hirntumore –Tumore also, die im eigentlichen Hirngewebe entstehen- kommen mit einer Häufigkeit (Inzidenz) von 11-12/100.000/Jahr vor.

In den folgenden Abschnitten finden Sie Informationen über die häufigsten Tumorarten, deren Symptome, Diagnostik und Behandlung mit Erläuterung spezieller Techniken, welche in unserer Praxis Anwendung finden.

Gliome

Ca. 40 % der Hirntumore sind Gliome, sie entstammen Zellen des Hirnstützgewebes (Gliazellen). Das häufigste Gliom ist das Glioblastom (50 %), gefolgt vom Astrozytom (ca. 30 %), dem Oligodendrogliom (ca. 8 %) und dem Ependymom (ca. 6 %). Die Tumore werden bislang entsprechend ihres biologischen Verhaltens in 4 Grade eingeteilt, von WHO Grad 1 bis 4. Tumore vom Grad 1 und 2 zeigen in der Regel das biologisch und prognostisch günstigere Verhalten und können mit einer vollständigen Resektion häufig geheilt werden. Grad 3 Tumore sind schnellwachsend, Grad 4 Tumoren bösartig, deren Behandlung immer eine fachübergreifende Herausforderung darstellt. Neuere, insbesondere auch molekulargenetische Untersuchungen der Tumore erlauben jedoch eine genauere Einteilung hinsichtlich des biologischen Verhaltens, des potenziellen Ansprechens auf eine nachfolgende Therapie und somit auch der Prognose der Erkrankung. Die klassische WHO-Einteilung nach Grad 1-4, welche auf einer mikroskopischen Gewebsuntersuchung basiert, spiegelt diese neueren Erkenntnisse nicht genügend wieder und ist bereits im Begriffe abgelöst zu werden.  

Symptome von Gliomen

Vorboten von Hirntumoren können Kopfschmerzen, bedingt durch erhöhten Hirndruck, epileptische Anfälle oder neurologische Ausfälle, wie Lähmungen, Gefühls-, Sprach- oder Sehstörungen sein. Persönlichkeitsveränderungen, Merkfähigkeits- und Gedächtnisstörungen sind weitere mögliche Symptome.

Hochgradiges Gliom im rechten Schläfenlappen vor Operation. Der Tumore nimmt stark Kontrastmittel auf (weisse Areale).
Nach der Operation ist kein Kontrastmittel-aufnehmendes Gewebe mehr sichtbar.

Diagnostik und Therapie

Diagnostik

Die Diagnostik besteht aus einer klinischen und einer bildgebenden Untersuchung. Aufgrund ihrer optimalen Weichteilauflösung ist die Magnetresonanztomographie (MRI) die Methode der Wahl. In besonderen Fällen sind zusätzliche Untersuchungen wie funktionelle MRI, MR-Spektroskopie, MR-Perfusion, Computertomographie (CT) oder Positronemissionstomographie (PET) erforderlich.

Therapie

Bei den meisten Gliomen steht die Operation an erster Stelle der Behandlungskette. Dies nicht zuletzt auch um eine histologische Sicherung der Diagnose zu ermöglichen.

Handelt es sich um einen niedriggradigen Tumor (WHO Grad 1 oder 2), kann unter Umständen bei vollständiger Entfernung eine Heilung erzielt werden. Höhergradige Tumore durchdringen (infiltrieren) das umliegende Hirngewebe, was die Neigung zu Rückfällen (Rezidiven) selbst nach vollständiger Entfernung aller sichtbaren Tumoranteile erklärt. Bei schnellwachsenden und bösartigen Gliomen (WHO Grad 3 oder 4) ist deswegen nach der Operation eine Bestrahlung und/oder Chemotherapie notwendig. Diese Folgebehandlung erfolgt nach fachübergreifender Diskussion, entsprechend der definitiven Diagnose aus Mikroskopischen und Molekulargenetischen Untersuchungen des Tumorgewebes und gemäss aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Spezielle Techniken in unserer Praxis und unserem Kooperationsnetzwerk

Die moderne Chirurgie von Gliomen strebt grundsätzlich eine vollständige Tumorentfernung an, da die bestmöglichste Entfernung des Tumores die Prognose sowohl bei niedrig- als auch höhergradigen Tumoren nachweislich verlängert. Der Gewinn an Überlebenszeit durch maximale Radikalität relativiert sich jedoch, wenn durch die Operation die Lebensqualität oder die Selbstständigkeit verloren geht und als Folge davon beispielsweise die Teilnahme an einer Chemo- oder Strahlentherapie verunmöglicht ist. Das bestmögliche operative Ergebnis soll demzufolge mit der gleichzeitig geringsten Belastung für die Patienten erreicht werden. Die minimalinvasive Neurochirurgie erreicht dieses Ziel durch die Anwendung von modernsten Techniken in der Planung und Durchführung des Eingriffes.

Die Therapieplanung basiert auf der radiologischen Bildgebung, wobei nicht nur eine Verdachtsdiagnose gestellt, sondern vor allem die individuelle Lage des Tumors beurteilt wird. Dadurch werden kritische Strukturen in anatomischer Beziehung zum Tumor erkannt und so der optimale Zugangsweg mit dem geringsten chirurgischen Trauma bestimmt.

Die Neuronavigation hilft dem Operateur den Tumor zu lokalisieren und erhöht somit die Präzision des Eingriffs. So kann die Lage und Ausdehnung eines Tumors auf die Oberfläche des Kopfes und nach der Schädelöffnung auf die freigelegten Hirnareale projiziert werden. Mit der Neuronavigation lassen sich die Tumorgrenzen optimal definieren, das computergestützte Gerät erleichtert somit die anatomische und chirurgische Orientierung auch in kritischen Situationen

Ein weiterer großer Fortschritt  ist die fluoreszenzgestützte Resektion bösartiger Tumore. Dabei wird den Patienten vor dem operativen Eingriff eine Trinklösung (Gliolan®) verabreicht. Das Medikament wird in den Tumorzellen zu einem Fluoreszenzfarbstoff umgewandelt, welcher während der Operation unter spezieller Beleuchtung sichtbar wird (fluoresziert).

Die Radikalität lässt sich zusätzlich durch die Anwendung des intraoperativen MRI verbessern: während der Operation, am offenen Schädel kann verbleibendes Tumorgewebe erkannt und anschliessend gezielt aufgesucht und entfernt werden. Das Risiko, dass nach einem Ersteingriff aufgrund eines grossen Tumorrestes direkt ein Folgeeingriff erforderlich ist, kann somit deutlich gesenkt werden.

Das elektrophysiologische Monitoring dient der ständigen Überwachung der Integrität  der Leitungsbahnen von den Funktionszentren des Hirnes bis zum Zielorgan in der Peripherie. So können kleinste Beeinträchtigungen auch bei narkotisierten Patienten exakt beurteilt und das operative Vorgehen entsprechend angepasst werden. Wenn Patienten präoperativ unter epileptischen Anfällen gelitten haben und/oder sich ein pathologisches EEG (Hirnstromkurve) gezeigt hat, wird eine intraoperative Elektrocortikographie (ECoG) durchgeführt. Dabei können epilepsieverdächtige Areale mit direkt auf die Hirnoberfläche aufgebrachten Elektroden identifiziert und wenn möglich mitentfernt werden.

Wenn kognitive Funktionen oder die Sprache (Produktion und Verständnis) durch den Eingriff gefährdet sind, so ist eine Operation im Wachzustand des Patienten sinnvoll, um diese Hirnleistungen kontinuierlich überprüfen und schonen zu können.

Diese, in unseren Händen routinemäßig angewandten intraoperativen Verfahren, tragen zu einer sicheren und schonenden operativen Entfernung von Hirntumoren mit Erhaltung der neurologischen Funktion bei.